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Wenn es auf die Größe der Eingangstüren ankommt: Wie Struktur, Nachhaltigkeit und Technologie die Erinnerungskultur prägen

Dr. des. Izabela Paszko

In den öffentlichen Debatten zur Erinnerungskultur in Deutschland geht es nicht nur um die Frage, an was erinnert werden soll, sondern auch, wie wir gedenken. Izabela Paszko vom Deutschen Historischen Institut Warschau  untersucht in ihrer Forschung strukturelle Faktoren, wie z. B. Nachhaltigkeit, technologische Entwicklungen oder rechtliche Bestimmungen und wie  sich diese auf die konkrete Gestaltung von historischen Ausstellungen und Erinnerungsorten auswirken.


Fragen zur Erinnerung, zur Vergangenheit und dazu, wie man über Geschichte spricht sind zentral für moderne Gesellschaften und Staaten. Ihre Rolle für die Nationsbildung ist unbestreitbar. Allerdings werden die „Nebenbedingungen“, die die Herstellung dieser Narrative (beispielsweise in Form von Geschichts- oder Kunstausstellungen) beeinflussen, bisher wenig erforscht. In meinem Postdoc-Projekt untersuche ich, wie spezifische Faktoren, wie neue Technologien, Nachhaltigkeitsstandards und rechtlichen Bestimmungen, sich auf die Konzeption und den Erhalt von Ausstellungen zum Zweiten Weltkrieg und zum Holocaust auswirken. Ich arbeite im Rahmen des internationalen Forschungsprojekts „Infrastrukturen des kollektiven Gedächtnisses. Aktanten des Globalisierungsprozesses und ihr Einfluss auf die deutsche und polnische Erinnerungskultur". Daran ist ein Team von sieben Forscherinnen und Forschern aus der Universität Lodz, dem Deutschen Historischen Institut Warschau und der Universität Regensburg beteiligt. Wir untersuchen wie materielle, technologische, administrative und umweltbezogene Faktoren das kulturelle Gedächtnis prägen. Das Projekt wird von der Stiftung für Deutsch-Polnische Wissenschaft gefördert.

Baurecht, Technologie oder Verwaltungsrichtlinien als Faktoren der Erinnerungskultur

Ich interessiere mich besonders dafür, wie sich Klimaschutz, Nachhaltigkeit und technologische Herausforderungen in der Ausstellungspraxis widerspiegeln. Dafür untersuche ich, welche Lösungen verwendet werden, um Ausstellungen ansprechend und informativ zu gestalten. Heutzutage richten sich solche Vorhaben oft an ein transnationales Publikum und sollen umweltfreundliche Richtlinien respektieren. Passend dazu gehören zu meinen Interessen auch externe Bedingungen die die Arbeit an Geschichts- und Kunstaustellungen beeinflussen, wie die touristische Infrastruktur, das Baurecht, die Erinnerungsgesetze (sog. memory laws) und die Verwaltungs- und Finanzregeln.  Im Mittelpunkt meines Projekts stehen die Wechselwirkungen und Abhängigkeiten zwischen verschiedenen Aspekten der Ausstellungsinfrastruktur. Dadurch sollen die Netzwerke, die sich auf das Endergebnis auswirken, identifiziert werden. Konkret zielt das Projekt darauf ab, dass die Aushandlung zwischen Konzept, Geschichtspolitik und anderen Bedingungen (wie Recht, Technologie oder Umweltpolitik) sichtbar gemacht werden. Ich untersuche das Zusammenspiel zwischen materiellen und immateriellen Aspekten der Ausstellungsarbeit sowie die Balance zwischen den Absichten der Kuratorinnen und Kuratoren und den praktischen Möglichkeiten der Umsetzung. Um die Dynamik der Ausstellungspraxis zu rekonstruieren, werden ausgewählte Ausstellungen (temporäre und permanente) auf die in sie involvierten Netzwerke, Verbindungen und Konstellationen einzelner Elemente untersucht.

Nachhaltigkeit im Museumskontext

Erste Ergebnisse meiner Recherchen haben interessante Aspekte zu Tage befördert, die bei der Gestaltung einer temporären Ausstellung berücksichtigt werden müssen. Dazu gehört u. a. die Baustruktur des Gebäudes. Die Frage der Luftzirkulation oder der Größe und Anzahl der Ausgänge kann die Entscheidung über die Realisierung einer Ausstellung stark beeinflussen. Darüber hinaus wurde in den letzten Jahren die Bedeutung von Nachhaltigkeit auch im Kultursektor erkannt. Das minimalistische Design von Wechselausstellungen wird oft durch die Verwendung biologisch abbaubarer Materialien (meist Holz) unterstützt, die recycelt oder wiederverwendet werden können. Die COVID-Pandemie hatte ebenfalls starke Auswirkungen auf den Betrieb von Dokumentationszentren, Gedenkstätten und Erinnerungsorten. Während die Lockdowns Menschen zwangen, zu Hause zu bleiben, fanden viele Veranstaltungen im virtuellen Raum statt. Diese Art der Teilnahme hat jedoch die „normalen“, d. h. persönlichen Besuche vor Ort nicht ersetzt. Nach der erzwungenen Nutzung elektronischer Geräte sind Ausstellungsbesucher nach der Pandemie jedoch keine eifrigen Nutzer von Multimedia-Angeboten in Kultureinrichtungen geworden. Die Authentizität des Ortes und der direkte Kontakt mit dem Objekt sowie den Ausstellungsführerinnen und -führern sind nach wie vor Grundvoraussetzungen einer gelungenen Geschichtsvermittlung. Weitere Auswirkungen auf den täglichen Betrieb von Erinnerungsorten und Dokumentationszentren hatte die Russische Invasion auf die der Ukraine im Februar 2022. So wurde beispielsweise die letzte Phase der Einrichtung einer neuen Ausstellung im Dokumentationszentrum Obersalzberg unterbrochen und verzögert, da die Projektleitung mit erheblichen Verzögerungen bei der Beschaffung von elektronischen Komponenten, Glas- und Holzelementen konfrontiert waren.

Multiperspektivischer Forschungsansatz

Meine Forschung umfasst Recherchen vor Ort sowie Interviews mit Personen, die in den Prozess der Entwicklung von Ausstellungen auf verschiedenen Ebenen involviert sind. Dies geht von der inhaltlichen Konzeption bis hin zum Aufbau der materiellen Struktur und der Gestaltung des Gebäudes. Mein Projekt konzentriert sich auf ausgewählte Museen und Institutionen der Geschichtsvermittlung in Deutschland, die einen Bezug zur Geschichte des Zweiten Weltkrieges und des Holocaust haben. Dafür entwickele ich eine interdisziplinäre Methodik, basierend u. a. auf Ansätzen der Anthropologie, Organisationssoziologie, Museumswissenschaft, Sozialgeschichte. Ich bin davon überzeugt, dass ich so einen wichtigen Beitrag für die Kulturwissenschaften, die Zeitgeschichte und die Museumspraxis leisten kann.

Ich hoffe, mit meiner Forschung Verbindungen zwischen den einzelnen Aspekten der komplexen Ausstellungsinfrastruktur zu identifizieren. Dies wiederum wird ein neues Licht auf Prozesse der Erinnerungskulturen in Deutschland werfen. Die anderen Mitglieder des Projektteams befassen sich mit ähnlichen Fragen, schwerpunktmäßig mit Bezug auf polnische Ausstellungen zum Zweiten Weltkrieg und zum Holocaust. Auf diese Weise untersuchen wir auch transnationale Netzwerke und den Transfer von Inhalten und Praktiken zwischen den Ländern.

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